Hallo Zusammen,
Irgendwo möchte ich gerade eine Nachricht aus dem Nirgendwo deponieren, und ja: dies ist immer noch der beste Ort dafür.
So vieles ist geschehen. Ein Buch würde nicht reichen. Doch Zeit und Erinnerung sind merkwürdige Gesellen - der Beginn der großen Wanderung im Norden Deutschlands liegt bereits in verschwommener Ferne, wie auch die märchenhaften Schwarzwälder, der Jura und die überraschend mühelos überwundenen Alpen, das fruchtbare Aostatal und die lange Durststrecke in der vampir(Moskito)verseuchten Po-Ebene.
Das Gestern ist weit, sehr weit weg und das Morgen ebenso.
Seit Ivrea bewege ich mich blind durch Unbekanntes Land, es gibt keine systematische Wanderwegauszeichnung mehr, die Seiten des Führers sind größtenteils dem tagelangen Dauerregen irgendwo, irgendwann zum Opfer gefallen. Doch es gibt Zeichen unterschiedlichster Art, kleine dicke Pilger, auf Mauern und Wände gesprüht, Mal ein vF für "via francigena", rot- weiße Bänder und Markierungen, die den richtigen Weg oder auch eine Baustelle ausweisen oder einfach auf die Strasse gesprühte Pfeile (weiß für Rom und gelb für SdC, manchmal auch andersherum oder ganz andere Farben).
Fragen nach dem Weg ist nicht nur wegen der sprachlichen Schwierigkeiten bedenklich: die Italiener sind keine Wanderer und beschreiben hilfsbereit und anschaulich gerne den Weg zum nächsten Bahnhof - schließlich will ich nach Rom. Immerhin führen bekanntlich alle Wege dorthin, insofern kann gar nichts schief gehen.
Jetzt ist ein kleines Gebirge zu überqueren, von dem ich noch nicht mal weiß, wie es heißt (der verschimmelte Führer hält die Seiten fest verklebt), danach geht es in der Nähe von La Spezia endlich ans Meer, wo definitiv ein Ruhetag ansteht.
Ja, ich bin müde, so unendlich müde... Die Euphorie der Alpen ist verflogen, die Hitze macht mir mehr zu schaffen als jede Steigung, und die endlosen Strecken geradeaus durch die Sümpfe um Vercelli bei über 40 Grad im Schatten haben Spuren hinterlassen.
Vielleicht endet der Weg am Meer, dann bliebe noch Puffer um einer Einladung nach Griechenland zu folgen. Dagegen steht das Gefühl, wiedermal kurz vor dem Ziel gescheitert zu sein, wiedermal zu früh aufzugeben.
Am meisten vermisse ich heute Papier und Stift, um ein wenig Schreiben zu können. Doch habe ich selbst das Reserve- T-Shirt bereits zurückgelassen, um den Rucksack ein wenig zu erleichtern.
Morgen geht's über den nächsten Pass, dann ist vielleicht schon das Meer zu sehen...
Herzliche Grüsse, liebes Forum, und bis irgendwann...
Silke
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