Alles nur Zufall?

Ein strahlender Morgen! Angenehme Frische trotz strahlenden Sonnenscheins. Die Vögel sind schon lange auf, wie zum Abschied stößt die Katze noch kurz gegen meinen Bikerstiefel. Die leichte Nervosität, diese vibrierende Reiselust, die ich immer habe, bevor die ersten Meter unter den Rädern verrollt sind, wird sich wohl nie so ganz legen. Letzter Check: Alles an Bord? Kleinigkeit zu essen, viel zu trinken, Fotoapparat, Liegematte, Straßenkarten, Sonnebrille, Geld - ja, alles trivial, aber es scheint komplett zu sein, um uneingeschränktes Reisevergnügen zu gewährleisten.

Zunächst wird es über den Loibl nach Kranj gehen. Es geht meistens in den Süden, denn dem Süden gehört mein Herz, der losgelösteren Athmosphäre, der Ungezwungenheit und Offenheit. Freilich wird das erst weiter unten so richtig spürbar, aber immerhin - die Richtung stimmt! Der Schal in der Lederjacke und die Handschuhe schützen vor der morgendlichen Kühle, die mit dem Tempo zunimmt. Die Stadt ist schnell hinter mir, der unüberwindlich scheinende Wall der Karawanken türmt sich hinter dem Drautal bereits vor mir auf. Es erinnert mich manchmal an die himmelhohen Spitzen des Drachengebirges, das Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer vor sich hatten, die Heimat Nepomuks . . .

Doch schon vor hunderten Jahren hatte man einen Durchschlupf gefunden, heute die direkte Route von Klagenfurt nach Slowenien. Mit vielen Kurven und einigen wenigen Spitzkehren ist man bald oben, passiert den österreichischen Zoll und fährt in den Tunnel des Niemandslandes ein, der einem zur Grenzstation von Slowenien entläßt. Noch schnell etwas Geld gewechselt, dann geht es bergab. Hier erwartet einem eine hügelige Landschaft mit unzähligen kleinen Sträßchen, meist gut ausgebaut, kurvig, mit wunderbaren Ausblicken in eine behütete Welt.

Nach einem Stück auf der Ost-West-Verbindung zwischen Italien und Lubljana -recht befahren - und einem Stück Autobahn geht es rechts weg nach Kranj. Hier wieder bald rechts gelange ich während ein paar öder Kilometer nach Skofia Loka. Noch mal schnell getankt (das Benzin ist hier erheblich billiger) und nun beginnt der schönste Teil der Fahrt. Bei wenig Verkehr durch grüne Täler geht es nun nach Ziri, einem kleinen Ort vor dem Bergrücken. Dieser Rücken zieht sich von Norden nach Süden und muß überbrückt werden, wenn man zu der schönen Strecke mit den vielen Kurven, die ich gerne fahre, gelangen möchte.

Die Straße wir nun recht eng und ist auch vom letzten Winter sehr mitgenommen, eine der schlechtesten hier in der Gegend. Trotzdem macht es Freude, sich im Halbschatten der Buchen bergauf zu winden. Keine Spitzkehren, nur viele kleine Kurven und noch viel mehr Schlaglöcher. Immer wieder klappt der Ständer mit einem scharfen Geräusch, wenn ihn ein Loch aus seinem Ruhezustand geholt hat. Unberührt davon schnurrt der Sechszylinder sanft, man muß sehr sensibel mit der Gashand umgehen, damit Akbar nicht einen Bocksprung gmacht. Denn bereits bei dieser niedrigen Drehzahl stehen rund 100 NM Drehmoment an.

Fast heimlich hat sich der kleine Sattel herangeschlichen, links und rechts ein paar wenige Häuschen, es geht wieder bergab. Der Ausblick ist wunderbar! Weit unten sieht man bereits Idrija liegen. Die bewaldeten Hänge stürzen förmlich ins Tal. An steilen Wiesen entlang und auch ein wenig durch den Wald geht es jetzt in Serpentinen und auch vielen kleinen Kurven bergab, bis ich schließlich wieder auf der Hauptstraße, die vom Norden herunterkommt, lande. Über eine kleine Brücke, dann links, es macht Spaß, auf den wenigen Kilometern der nun guten Straße mal kurz aufzudrehen und den Tiger an ein paar Autos vorbeibrüllen zu lassen! Allerdings bremst der Ort gleich wieder ein. Kurz danach liegt in einer Linkskurve der Parkplatz, den ich zur ersten Rast geplant habe.

Ich muß hier immer aufpassen, rückwärts zu der Holzbank und dem massiven Holztisch zu rollen, an den ich mich nun setzen möchte. Tue ich das nicht - trotzdem das Gefälle kaum erwähnenswert ist, habe ich anschließend ordentliche Probleme, mein Tigerchen wieder auf die Straße zu bringen. 330 Kilo lassen sich nicht so leicht manuell bergauf rollen ;-).

Ok, alles klar: Perfekt geparkt, Helm runter, raus aus der Lederjacke, Schal im Seitenkoffer verpackt, Nierengurt über die Windscheibe gehängt. Und erst mal einen tiefen Zug aus der Wasserflasche. Das Wasser ist noch herrlich kühl. Zu dieser Uhrzeit, es ist etwas nach 10 Uhr, liegt dieser Parkplatz in einem angenehmen Halbschatten. Hinter mir geht es einen Felshang hinauf, vor mir liegt eine ausladende 180°-Kurve, die ich nach links hinten ein paar hundert Meter verfolgen kann. So sehe ich, wie sich immer wieder Autos, seltener Motorräder, nähern, um dann fast unvermutet rechts aus dem Blickfeld zu verschwinden. Da rechts eine scharfe Rechtskurve auch die Geräusche abhält, erscheinen Fahrzeuge von hier sehr überraschend.

Das Brötchen schmeckt lecker und ich beobachte die Autos, die vorbeifahren. Die meisten Gesichter wirken unbeteilgt. Selten lächeln oder lachen. Ein Bus fährt vorbei, der Fahrer winkt herüber, ich winke zurück.

Am Kurvenhorizont wird Knattern hörbar. Trecker oder Harley? Nein, dem Tempo nach eindeutig Bike. Und da kurvt sie schon daher! Hinter einem hohen Lenker ein Prophet mit wallendem Bart, Lederweste und braungebrannten Unterarmen, die Hände in großen Stulpenhandschuhen versteckt, schwarze Sonnebrille. Quasten an den Lenkerenden, Antenne am Heck, Chrom, glänzender Feuerwehrhelm, das ganze Gebilde wird so niedertourig vorangetrieben, daß fast Atemzüge zwischen den Kolbenhüben zu vergehen scheinen. Läßiges, ausladendes Winken auf meinen Gruß hin und schon ist das bullernde Etwas hinter der Ecke verschwunden, mit ihm auch schlagartig der Sound - so, als ob der Film gerissen wäre.

Zwei Bissen später bläst mir ein hochgezogener, offenbar ziemlich leerer Auspuff einer Ducati den Beweis hochtouriger 900-Kubik-Aktivität derart unvermutet ins Ohr, daß ich vor Schreck fast das letzte Stück meines Brötchen hätte fallen lassen. In einer Schräglage, die manch einen der Knieschleifer-Fraktion vor Neid hätte erblassen lassen, ist er auch schon an demselben Horizont verschwunden, aus dem gerade eben noch unser gemütlicher Harley-Treiber gekommen ist. Ein rotes Geschoß, aus einem Guß, keine Ahnung, wo der Fahrer aufgehört und die Maschine angefangen hat, eine nach oben gekrümmte Wölbung, ähnlich der, wie wir sie früher vom Käfer her kannten, allerdings viel, viel schneller. Ein Hauch Splitt, zwei, drei Steinchen am unpassenden Ort... unwillkürlich reagiert mein Rücken so, als ob ich in eine Zitrone gebissen hätte. Gleichzeitig kommen mir wieder Gespräche in den Sinn, die in unregelmäßigen Abständen stattfinden, wenn es sich um Bike im Zusammenhang mit Sicherheit dreht. Man kennt das ja: Lederkluft, Protectoren usw.

Interessant ist, daß ich kaum jemanden kenne, der nicht in der näheren oder ferneren Bekanntschaft jemanden wüßte, der bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ist oder zumindest schwer verletzt wurde. Einhellig ist man sich einig, daß es sich beim Biken um etwas äußerst Risikoreiches handelt, bei dem man nur durch Schutzengel mit angepaßter Fluggeschwindikeit vor dem Allergröbsten bewahrt wird. Auf die Quintessenz reduziert: Biken ist nur was für Fahrlässige mit einem Minimum oder keinem Verantwortungsbeußtsein. Bei Nichtbikern wird unverholen tiefliegende Angst zugegeben (oder vorgeschützt?) denn heute leben wir ja in einer Zeit, wo auch Männer Angst haben dürfen, weinen dürfen - nein, sie sollen weinen, denn nur das ist ein Bewies für wirkliche Gefühlstiefe. Die Zeit der Egoisten, die sich niemals kinderwagenschiebend in der Öffentlichkeit gezeigt hätten ist passé. Heute leben wir in einer Zeit mit Herz und Gefühl, das man auch bei jeder Gelegenheit heraushängt - warum neigen wir eigentlich immer dazu, von einem Extrem ins andere zu fallen?

Klar sollen auch Männer Gefühle haben und die auch zeigen. Klar soll ein Mann auch Kinderwägen schieben und abwaschen. Klar. Doch mit der Über-Liberalisierung der Gefühle hat sich auch noch etwas anderes eingeschlichen: Die Angst. Komisch. Und damit: Das Bedürfnis nach Sicherheit. Sicherheit?

“Sicherheit, ein in neuerer Zeit die Individuen wie die Völker in ihren polit. Grundvorstellungen mitbestimmendes Moment” kann man da lesen in “Der Große Herder”, Nachschlagwerk für Wissen und Leben in 10 Bänden. Zugegeben, es ist die Ausgabe von 1956, die ‘neuere Zeit’ dauert als also schon ein Weilchen. Nichts desto trotz: Dem war offenbar nicht immer so. Und schon gar nicht so extrem wie heute. Sicherheit ist jetzt, glaube ich, nach Sex das beste Verkaufsargument. Aber was, um Himmels Willen ist denn diese Sicherheit wirklich? Früher war der Begriff eher in der Jägersprache geläufig: Das Reh sichert in jede Richtung, bevor es die Lichtung betritt. Es vergewissert sich, daß ihm keine Gefahr droht. Sichern im Sinne der aktiven Vorsorge, nicht von Unerwartetem getroffen zu werden.

Brötchen ist aus, nur noch eine Banane verfügbar, feiner Nachtisch. Es macht Spaß, hier die Holzbank zwischen den Beinen, den rechten Arm auf den rustikalen Tisch gestützt, zu sitzen, zuzuschauen, was vorbeifährt, Brötchen zu vertilgen und den Gedanken nachzuhängen.

Heute hat der Begriff “sicher” nichts Aktives mehr in sich. Im Gegenteil: Sicherheit kann gekauft werden wie ein Fischstäbchen oder eine Praline. Zahlt man viel, dann hat man viel Sicherheit. Man möchte gerne alles absichern, nur klappt das noch nicht so ganz. Und da es sich bei der Sicherheit genau genommen um etwas äußerst Unsicheres handelt, werden Scharen von Juristen aufgeboten, um zu definieren, wann denn nun eine Sicherheit unter welchen Umständen abgegeben werden kann. Lustig! Manchmal kommt mir das vor, als ob eine Schar von Kindern urplötzlich gealtert wären, es aber selbst nicht bemerkt haben. Schlimmer noch: Niemand hat es bemerkt! Mit dem gleichen Eifer, wie ihn manche Kinder beim Spiel aufbringen, jedoch mit erheblich mehr Mitteln, wird gebastelt und geschraubt und dann kommt plötzlich eine unerwartete Welle, nur geringfügig größer als die üblichen und ebnet die ganze schöne Sandburg wieder ein.
“Mach Dir nix draus”, sagen wir erfahrenen Erwachsenen dann zu unseren weinenden Kindern,
“Schau, ich helf Dir, eine neue zu bauen, dann ist alles wieder gut”.
Wenn aber das Auto kaputt ist, weil man am Abhang vergessen hat, den Gang einzulegen oder die Handbremse anzuziehen, dann zahlt das die Versicherung nicht und es ist auch niemand da, der hilft, das Ding wieder zusammenzustoppeln. Hätten wir da doch nur Vollkasko versichert? Ja? Hmm.. Dann passiert es halt im Ausland und das ist just in dieser Variante nicht eingeschlossen. Tut uns leid. Wir müssen das Risiko auch kalkulieren. Ätsch! Das Schicksal hat zugeschlagen, das Auto ist kaputt, das Ferienhäuschen abgebrannt oder das Genick gebrochen und die Erben bekommen nichts, weil - das eben in der Lebensversicherung so nicht kalkuliert war, wie’s passiert ist. Pech gehabt. Zufall.

Pech? Zufall?? Ja, wir sind eben Spielbälle eines Schicksals. Schicksal sagen wir, denn das hört sich so wohltuend abstrakt an, daß man dem jegliche Schuld anhängen kann. Niemand sagt: “Der liebe Gott hat mit uns kleine Männchen (pardon: Und Weibchen), die er hin- und herschubst, wie es ihm Spaß macht, da kommt halt mal eins zu schaden, aber das ist eben Pech.” Das wäre konkret, ließe vielleicht Diskussionen aufkommen. Nein, alles fein vage halten nach dem Motto: “Was der Mensch nicht versteht, darüber braucht er sich auch keine Gedanken zu machen”. Glaubt er wenigtens.

Nur, wie gesagt, mit dem Versichern, das haut nicht so wie gewünscht hin. Versichert sich doch manch einer überdosiert und es passiert genau dort was, wo er nicht versichert ist. Zu dumm. Oder es passiert dem anderen, daß er aus einem Totalschaden von der Feuerwehr heraugeschweißt werden muß und - oh Wunder - er hat nur ein paar Schrammen abbekommen. Wo ist denn da die Gerechtigkeit? Ist da was beim Schubsen daneben gegangen? Oder hat das vielleicht gar überhaupt andere Gründe, warum der eine schon und der andere nicht...?

Ich glaube doch, daß wir es uns mit dem Gedanken, wir könnten uns durch entsprechend heftiges Vorbeugen vor allem schützen, etwas sehr bequem machen. Wie bitte? Bequem? Ist doch eine Menge Arbeit, sich zu beschäftigen, was am besten schützt und dann erst die Kosten . . . tja - wer ebenso denkt, der sollte vielleicht nicht weiterlesen, sondern sich zu seinem nächsten Geschäft oder Versicherer begeben, um noch etwas mehr für seine vermeintliche Sicherheit zu investieren. Aber bitte: Nicht mehr weiterlesen.

Immer noch am Ball? Auch, obwohl das jetzt wirklich ekelhaft war? Das freut mich ehrlich, denn besser hier etwas ekelhaftes, präpotent scheinendes gelesen, als etwas ekelhaftes am eigenen Körper erlebt. Ok, warum haut das mit dem Versichern aller Variationen nicht hin, warum kann es gar nicht funktionieren?

Vielleicht fange ich hier nun mal ganz wo anders an. Vor vielen Jahren ist ein Herr gestorben, den ich sehr geschätzt habe. Er war ein Gentelman von Kopf bis Fuß, ein Kaufmann, der sein Hobby zum Beruf gemacht hatte: Astrologie. Einer der wenigen Astrologen, die nicht nur Ihren Job ernst nehmen, sondern auch die Astrologie mit geistigen Gesetzen in Zusammenhang bringen. Er hatte enorme Erfahrung, unterrichtete dieses Fach und ich hatte einmal Möglichkeit, einem seiner Vorträge beizuwohnen. ‘Per Zufall’, wie es so schön heißt, habe ich vor einigen Wochen beim Stöbern im Bücherschrank eine kleine Broschüre dieses Vortrags in die Hände bekommen und - obwohl ich wirklich nicht gerne etwas abschreibe - werde ich hier doch eine kleine Geschichte daraus, seinerseits ein Zitat, zitieren.

Vorher aber noch ein paar Schritte gehen, danach ist es doch wieder einige Zeit zu sitzen. Die Bikerstiefel knirschen bei jedem Schritt, die Sonne wärmt sehr. Auf der Wand zum Hang hin haben sich Ameisen eine Hauptverkehrsader geschaffen. Eine schwarze Schnur zieht sich vom Boden bis weit hinauf. Einige Blumen haben sich in der Wand angesiedelt, weiße Blüten und auch ein paar Glockenblumen. Auf der anderen Seite der Sraße ist ein Holzplatz, ein Arbeiter ist dabei, mit der großen Zange, die an dem LKW-Kran befestigt ist, die Rungenfracht abzuladen. Keine leichte Aufgabe, bei den langen Stämmen jeweils den richtigen Mittelpunkt für die Balance zu finden.

“Aus dem alten Indien, beginnt der Vortrag, “berichten zwei Historiker unabhängig voneinander über den Astrologen Vahara-Mihira das selbe:
Der Astrologe Mihira lebte etwa im 9. Jahrhundert am Hofe des Königs Vakramiditia (Eine genaue Zeit läßt sich nicht ermitteln, da mehere Könige den Beinamen Vakramiditia führten. Auch waren indische Historiker an genauen Daten uninteressiert und es genügte eben, daß es eine historische Persönlichkeit war, die auch mehrere Bücher verfaßt hatte).

Als historisch gilt: Am Hofe des Königs Vakramiditia waren mehrere Astrologen beschäftigt. Als nach langen Jahren dem König schließlich ein Sohn gboren wurde, hatten sie die Aufgabe, das Schicksal des Königssohnes zu berechnen. Mihira galt als der erfolgreichste Astrologe und errechnete, daß der Königssohn im Alter von 18 Jahren, am 10. Oktober nachmittags um 17 Uhr und 5 Minuten durch einen wilden Bären angefallen und am Brustkorb tödlich verletzt würde. Kein anderer Astrologe wagte eine ähnliche Prognose.

Die Zeit verging und Mihira kontrollierte seine Berechnungen immer wieder anhand der Kinderkrankheiten des Königssohnes etc. und blieb dabei, das Karma, wie es mit dem kosmischen Harmoniepunkt der Geburt im Einklang steht, richtig erfaßt zu haben. Der ominöse Tag kam heran, einige tausend Menschen aus der weiten Umgebung hatten sich vor den Toren des Königshofes versammelt. jeder wollte erleben, was nun passiert. Die Meinungen waren geteilt, aber immerhin hatte Mihira viele großartige Treffer auf seiner Seite”

Im Hofe war der König mit seinem Ministerrat und den Edelleuten versammelt und ebenfalls Mihira. Der Königssohn war im fünften Stock des Palasts untergebracht, von 24 schwerbewaffneten Leibwächtern bewacht. Um 16 Uhr Nachmittags stand der König auf und sagte, die Berechnung müsse falsch sein, da kein wilder Bär je in den fünften Stock eindringen könne. Da erhob sich Mihira: Era habe die Geburt nicht nur mit der Sanduhr uns Schattenuhr (die damaligen Instruimente der Zeitbestimmung) selbst genau festgehalten, sondern anhand der Ereignisse immer weider das Horoskop kontrolliert. Das Schicksal sei unabänderlich und er bleibe bei seiner Berechnung, die nur das festverankerte Karma darstelle. Es wurde 17 Uhr und Mihira blieb bei seiner Aussage. Es wurde 17 Uhr und 5 Minuten, 10, 15. Um 17 Uhr 20 stand der König auf:
“Mihira, deine Berechnung ist falsch! Bisher kam kein Bericht von den Wachen. Also mein Sohn lebt!” -
Mihira: “König, gehe selbst nachsehen! Dein Sohn lebt nicht mehr. Er ist schon seit 15 Minuten tot!”
Der König eilte die Treppe hinauf in den fünften Stock. Dort fand er die Wachen in ein Kartenspiel vertieft.Sein Sohn war auf den kleinen Balkon hinausgetreten, vielleicht um frische Luft zu schnappen. Jedenfalls - im selben Augenblick hatte sich ein Windstoß erhoben und einen steinernen Bären von der Zinne hinabgestürzt auf den Königssohn, der dort, am Brustkorb verletzt, in seinem Blute lag. Er war tot. Seitedem heißt Mihira ‘Bären-Mihira’ oder ‘Vahara-Mihira’.”

Möchte nun keine Grundsatzdiskussion über Astrologie auslösen, sondern nur eines zu bedenken geben. Wenn in unserem Universum der Zufall regieren würde, dann könnte absolut gar nichts funktionieren! Die Planeten würden durch die Gegend taumeln, Physik und Mathematik wären gar nicht erst geboren worden, unsere heutige Technik undenkbar. Warum sollen aber diese gleichen Naturgesetze plötzlich nicht mehr existieren, wenn es um unser Inneres, unser Leben, unser Schicksal geht?

“Klasse”, wird nun der Sarkast sagen, “dann kann ich ja tun, was ich will, mein Ende ist sowieso vorherbestimmt”. Nein, so einfach geht es nicht. Denn wenn auch Ursache und Wirkung eines der grundlegendsten Naturgesetze ist, dann muß die Ursache für eine Auswirkung nicht Ewigkeiten zurückliegen. Wenn ich jetzt das “Schiksal herausfordere”, wie man sagt, indem ich von einer Brücke springe, dann darf ich mich nicht wundern, wenn ich auch unten ankomme. Nein, es sind vielmehr die sogenannten ‘unvorhergesehenen’ Dinge, um die es da geht. Wenn ich mich im Rahmen der momentanen Möglichkeiten bewußt und angemessen verhalte, dann werden nur die Dinge passieren, die aufgrund der eigenen Vergangenheit passieren müssen. Dafür das eben zitierte Beispiel aus der Karma-Astrologie.

Wenn man diese Überlegungen einfach einmal fiktiv neutral in den Raum stellt, dann wird man bald erkennen, daß alles, was um uns herum geschieht, unmöglich sogenannter Zufall sein kann. Und wenn es den nicht gibt, dann schützen auch keine noch so dicken Lederklamotten. Dann wird eben die Wechselwirkung entsprechend herber ausfallen als ohne dieselben. Das Ergebnis wird das gleiche bleiben.

Aber nun genug, für heute ist noch ein ganzes Pensum an Strecke geplant, freue mich schon auf die Strecke durch südliche Gefielde. In der Zwischenzeit ist es wärmer geworden, ich entschließe mich, die Lederjacke zusammenzurollen und zu der Gummimatte auf den Rücksitz zu schnallen. Alle Utensilien sind in den Sattelkoffern verstaut, Nierengurt umgeschnallt, Helm auf und Sonnenbrille darunter über die Ohren geschoben. Mit einem leisen “Klipp” rastet der Zündschlüssel in der On-Stellung ein, eifrig erweckt der Starter die sechs Zylinder aus ihrer kurzen Ruhe. Sie nehmen sofort ihren Dienst auf und ich rolle mit geringer Drehzahl zur Straße.

Kurzer Blick nach rechts, ob nicht etwas aus der Kurzen Ecke herausschießt, links ist ja alles gut zu überblicken. Kurzes Drehen am Gasgriff, der Drehzalmesser schnellt nach oben. Zweiter, dritter, vierter Gang. Fünfter lohnt nicht, weil nun einige schöne Kurven beginnen, die ich liebe: Am Bach entlang in die Schlucht über praktisch makellosen, neuen Asphalt.